Pfarrer Stefan Turk – vorbereitet für die Adventsandacht am 15.12.2020

Auf Grund der Pandemielage verzichten wir auf diese zusätzliche Präsenzveranstaltung und bieten den Text zum Selberlesen an:

Zu: Matthäus 1, 18 – 25

 

18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. 19 Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen. 20 Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. 21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 22 Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. 24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25 Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

 

Das ist die Weihnachtsgeschichte, wie sie im Matthäusevangelium überliefert ist.

Die ist uns lange nicht so bekannt wie die des Kollegen Lukas. Die können wir irgendwann ja sogar auswendig…

„Es begab sich zu der Zeit, als Quirinius Landbriefträger in Sibirien war…“

Und: das ist der Predigttext, der uns für Heiligabend in diesem Jahr vorgegeben ist.

Und über den ich mir jetzt schon seit längerem so meine Gedanken mache…

 

Ich bin damit noch nicht fertig.

Bislang alles nur Gedankensplitter. Bruchstücke von Gedanken.

Aber ist ja auch noch nicht Weihnachten…

 

II.

Ich mach mir Gedanken, – und frag` mich natürlich die ganze Zeit: Was darf, was kann, was soll stattfinden?

Was geht? Und was geht nicht?

Wird gepredigt werden? Wie denn? Live, auf der Kanzel? Auf dem Sportplatz? Im Internet? Schriftlich, per Post?

Und wie werden wir uns fühlen – an Heiligabend?

Wie geht`s uns dann?

 

Ich lese den Predigtabschnitt noch einmal durch – und bleibe bei einem Wort hängen: „heimlich“.

>Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen…<

„Heimlich“, das hört sich nicht nur so ähnlich an wie „heimelig“, – das hat im Deutschen sogar dieselbe Wortwurzel und Herleitung.

„Heimlich“…, „Heimelig“.

Weihnachten soll „heimelig“ sein. „Stille Nacht, heilige Nacht“, „Alle Jahre wieder“.

Das, was beide Worte verbindet ist: „heimelig“ ist etwas, das in den häuslichen, privaten Kreis gehört. Daraus wurde dann das Wort „geheim“, und daraus wiederum „heimlich“. „Heimlich“, weil etwas fremden Augen entzogen war. – Sagen zumindest die Sprachforscher.

 

III.

„Heimlich“ will Josef seine Frau sitzenlassen.

Aus lauter Rechtschaffenheit.

Fehlgeleitete, falsch verstandene Rechtschaffenheit.

 

Der meint es gut. Vor allem: richtig. Will tun, was gerecht ist. Und anständig. Und was man dann so tun sollte.

 

Aber ein Bote Gottes sorgt dafür, dass Josef umdenkt.

Der Gottesbote spricht Josef auf sein eigentliches, sein „heimliches“ Motiv an: Furcht.

Genau das, was fremden Augen entzogen war.

Aber Gott und damit der Gottesbote blicken auf den Grund.

 

Josef fürchtet sich.

Hat mächtig Furcht vor der fremden Verantwortung.

Aber der Gottesbote sorgt dafür, daß Josef von dieser seiner unausgesprochenen, vielleicht sogar unbewussten Angst und Furcht befreit wird und er mit Maria gemeinsam Verantwortung für das Leben ihres Sohnes Jesus übernehmen können.

 

Josef hat an seine junge Frau gedacht. Und er hat an das Kind gedacht. Und er hat – an letzter Stelle – an sich gedacht.

Woran er nicht gedacht hat, ist „wir“ und „uns“.

 

Der Bote Gottes sorgt dafür, dass Josef umdenkt.

 

Und so bleibt er da. Und lässt Maria nicht alleine.

Und der Name des Kindes wird lauten „Immanuel“ – „Gott mit uns“.

 

IV.

Weihnachten bedeutet: Gott, der in mit Jesus zur Welt kam, ist ein Gott, der in den Vokabeln „wir“ und „uns“ denkt und handelt. Ausschließlich. Ausschließlich „wir“ und „uns“.

Gottes Devise lautet: dableiben und die Menschen nicht alleine lassen.

„Wir“ und „uns“…

 

Ich frage mich, wie es uns in diesem ausgehenden Corona-Jahr ergangen ist? Und wie viele Menschen in das „Heimliche“ entschwunden sind, den Augen entzogen? Und wie es jetzt erneut sein wird?

Viele Menschen sind alleine geblieben. Und werden jetzt auch wieder alleine sein.

 

Ich denke an Menschen im Alter, in Seniorenheimen, an Mitarbeitende in Pflegeberufen, Kinder und Jugendliche, schwache Familien.

Wie viele unter uns, wenn wir uns nicht mehr wie gewohnt zur Chorprobe treffen können? Zum Kaffee? Zur Frauenhilfe? Zur Presbyteriumssitzung? Zum Konfi-Unterricht.?…

 

„Schütze deinen Nächsten wie dich selbst“ ist unser Motto geworden. Und dann kamen lauter sich abwechselnde Verordnungen, eine nach der anderen, erlassen, verändert, überholt, außer Kraft gesetzt.

 

Ich bin derzeit in unseren kirchlichen Verordnungen bei Corona-Newsletter Nr. 72 – immer mit Hinweis auf neue oder geänderte Vorschriften… Und der neuerliche Lockdown wird auch wiederum in Verordnungen und Gesetze „gegossen“ werden müssen.

 

Das fühlt sich irgendwie auch alles richtig und nötig an. Das entspricht unserem Empfinden, für das, was richtig und gerecht und schicklich und anständig ist… Was man jetzt zu tun hat… Geht ja nicht anders…

  • Wie bei Josef.

 

Wir meinen es auch gut. Vor allem: richtig. Wollen tun, was gerecht ist. Und anständig. Und was man dann so tun sollte.

 

Die Angst der Vielen war groß.

Aber sie war den Augen… Unseren Augen entzogen.

Heimlich. Heimelig.

 

Man war in diesem Jahr vielleicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

 

Der Appell des Engels drang nicht bis zu uns durch.

 

V.

Die Weihnachtsgeschichte, wie sie im Matthäusevangelium überliefert ist.

Das ist der Predigttext, der uns für Heiligabend in diesem Jahr vorgegeben ist.

Und über den ich mir jetzt schon seit längerem so meine Gedanken mache…

 

Ich bin damit noch nicht fertig.

Bislang alles nur Gedankensplitter. Bruchstücke von Gedanken.

Aber ist ja auch noch nicht Weihnachten…

 

VI.

Was ich bisher aus dem vorgegebenen Heiligabend-Predigttext gehört habe, ist das:

 

  1. Wo wir uns heimlich davonstehlen wollen in unsere heimelige und private Welt, da bleiben wir einander die Gemeinschaft schuldig, die hilft und gut tut. – Also das, woran der Gottesbote Josef erinnert hat. Wir haben, ob wir darum wissen oder nicht, Verantwortung für die Anderen.
  2. Das hat mit mir zu tun. – Wenn „Fürchte dich nicht“ nur ein purer Aufruf, eine Durchhalteparole ist, dann bleibt das leer und funktioniert nicht. Aber wenn ehrlich und offen angesprochen wird, was uns wirklich umtreibt, – wir darüber reden, wie es uns wirklich geht, – wenn wir Unsicherheit, Angst und Sorge beim Namen nennen, dann…. – Und wenn wir uns ansprechen lassen in unserer oft so uneingestandenen Sehnsucht nach Ganz-Sein, dann…
  3. Die Botschaft des Heiligabend 2020, im ausgehenden Corona-Jahr, heißt, – so denke ich -: dableiben und Menschen nicht alleine lassen.

Verantwortlich sein und handeln… Wie auch immer… kreativ…

So hat es Gott mit der Geburt Jesu auch gemacht: ist da geblieben und hat uns nicht allein gelassen.

„Wir“ und „uns“…

 

Weiter bin ich noch nicht.

Aber ist ja noch ein bisschen bis Weihnachten…

 

Amen.