Die evangelische Kirche in Birnbach

Geschichte

Die erste Erwähnung des Ortes und der Kirche geschieht ziemlich spät. Im Jahre 1131 bestätigte Papst Innozenz II. dem Bonner Cassiusstift dessen Besitzungen und Rechte, darunter den Hof und die Kirche und den ganzen Zehnt zu Birnbach“,Curtim Berenbach et ecclesiam cum tota decima“. Als Grundherr unterhielt das Stift dort ein Hofgericht. Ort und Kirchspiel müssen indessen ursprünglich im Besitz der Grafen von Neuenahr gelegen haben, da diese im Jahr 1298 „Berenbach“ an den Grafen Johann I. von Sayn verkauften. Das Bonner Cassiusstift verpachtete 1558 den Saynern seine Zehntrechte im Kirchspiel Birnbach für jährlich 160 oberländische Gulden.

Drei Jahre später (1561) führte der Landesherr, Graf Adolf von Sayn-Hachenburg, das lutherische Bekenntnis ein. Der kirchliche Besitz ging an die Protestanten über und in der Birnbacher Kirche wurden die Gottesdienste nach der neuen Regel gehalten, d.h. in deutscher Sprache und das Abendmahl in zweierlei Gestalten.

1605 übernahm Graf Wilhelm von Sayn-Wittgenstein die Landesherrschaft. Er griff erneut ins kirchliche Leben ein, indem er den Befehl erließ, dass alle Untertanen mit sofortiger Wirkung die Lehre Calvins anzunehmen hätten. Der letzte lutherische Pfarrer in Birnbach,Valentin Aparius (Bieremann), musste die Gemeinde verlassen. Das Gotteshaus wurde nach calvinistischer Lehre um alle Dinge bereinigt, die man nicht für einen Gottesdienst zu benötigen glaubte: Altar, Taufstein, Bilder und Skulpturen.

Im Jahre 1652 wurde die Grafschaft Sayn in Sayn-Altenkirchen und Sayn-Hachenburg geteilt. Birnbach fiel an den hachenburgischen Teil. Bis zum Wiener Kongress blieb Birnbach dann unter der saynschen Landeshoheit und bei der calvinischen Lehre, die aber im Laufe der Zeit ihre Strenge gelockert hatte. So konnte 1775 für die Birnbacher Kirche eine Orgel beschafft und im Gotteshaus aufgebaut werden. 1805 wurde sogar eine zweite, größere Orgel gekauft, da die erste bereits untauglich geworden war.

1815 hat das Königreich Preußen die Nachfolgerin der Landesherrschaft angetreten. Unter dessen Einfluss wurde 1820 die unierte evangelische Kirche gegründet, eine Vereinigung des lutherischen und reformierten Bekenntnisses. Seit dieser Zeit haben dann ohne Unterbrechung bis heute unierte Pfarrer die Gemeinde geführt.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts traf die Kirche zu Birnbach ein harter Schlag. 1892 schlug am 22. Juni der Blitz in den Kirchturm ein, zerstörte einen Teil des Daches und Mauerwerks und beschädigte auch den Westteil des Langschiffes. Der ohnehin baufällige Turm musste niedergelegt, die dadurch geöffnete Westseite des dreischiffigen Langhauses provisorisch geschlossen werden. Der just zu dieser Zeit nach Birnbach versetzte Pastor Leibnick musste während der Aufräumungsarbeiten seinen Einführungsgottesdienst im Freien unter den Bäumen des Pfarrgartens halten. Er hat mit Mut und Engagement die notwendigen Kirchbauarbeiten betrieben und die Finanzierung gesichert. Der nimmermüde Pastor fand in dem aus dem Kirchspiel stammenden Landtagsabgeordneten und Elberfelder Fabrikanten Emil Weyerbusch einen eifrigen Förderer und Gönner. Seine Bemühungen und hohen Spenden ermöglichten einen umfassenden Wiederaufbau und Erweiterungsbau in den folgenden Jahren. Das Langhaus wurde erweitert und der Turm in der ursprünglichen Form wieder aufgebaut. 1899 wurde bei Gelegenheit dieser Bauarbeiten auch das gesamte Mauerwerk überholt. Am 28. Oktober 1900 konnte in einem Festakt der Bau wieder seiner Bestimmung als Gotteshaus übergeben werden. Damals schickte die Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen, Auguste Viktoria, eine kostbare Bibel, die ihre eigenhändige Widmung trägt.

1907 konnte mit Hilfe des Gönners Weyerbusch in Birnbach auch das mittlerweile verkaufte Gemeindehaus errichtet werden. 1931 sorgte in seinem letzten Amtsjahr Pfarrer Leibnick noch dafür, dass die alte, aus dem Jahr 1512 stammende, nun aber beschädigte Jakobsglocke umgegossen wurde.

Zwei Jahre später griff das NS-Regime ins kirchliche Leben ein. Es wollte die Bewegung der „Deutschen Christen“, einer von der NSDAP gesteuerten Vereinigung „Nationalsozialistischer Christen“, in der Gemeinde wirksam werden lassen. Zunächst gehörte das Birnbacher Pres-byterium unter Pfarrer Schareina geschlossen den „Deutschen Christen“ an. Nach der Sport-palastkundgebung im Herbst 1933 trat aber das Presbyterium bis auf zwei Mann bei den „deutschen Christen“ wieder aus. Während der ganzen Nazizeit führten Pfarrer und Presby-terium die Gemeinde auf einem „neutralen“ Kurs. Der „Bekennenden Kirche“ trat man nicht bei, während man den Anordnungen der nationalsozialistisch dominierten Kirchenbehörden Folge leistete. Es war sicher nicht das mutigste Kapitel in der Gemeindegeschichte.

Als im Frühjahr 1945 die Front näher rückte, trug der Krieg harte Not ins Kirchspiel. Durch Bombardierung und Beschuss entstanden schlimme Schäden; es gab Tote und Verwundete und Beschädigungen an Häusern und Bauten. Auch die Kirche wurde getroffen; Mauerwerk, Fenster, Türen, ganze Bankreihen wurden zertrümmert. Nach dem Kriege wurden die Schäden schnell beseitigt und auch der Innenraum umgestaltet. Aber erst zu Beginn der 70er Jahre konnte man eine umfassende Restaurierung in Angriff nehmen. Damals hat die Gemeinde viel Eigenarbeit geleistet, reiche Spenden zusammengebracht und viel Mühe und Liebe ins gemeinsame Werk investiert. Am 8. April 1973 konnte im renovierten Gotteshaus der erste feierliche Gottesdienst stattfinden. Im Jahre 2000 wurde die Kirche erneut renoviert und dabei die gestalterischen Einflüsse der zurückliegenden Jahrhunderte in eine Linie gebracht. Heute können sowohl die schlicht cremefarben gehaltenen Wände als auch die auf Pfeiler und Rundbögen aufgetragenen Steinmalereien bewundert werden. Seit der Erweiterung um die Jahrhundertwende gilt das Birnbacher Gotteshaus als der größte Westerwälder Kirchenbau dieser Art.

Architektur

Die Kirche ist ein typischer Vertreter der querhauslosen, dreischiffigen, flachgedeckten Pfeilerbasiliken.

Im Westen steht der mächtige dreigeschossige Turm. Er wird von einem geschieferten vierseitigen Pyramidendach gedeckt. Über der Spitze des Helms erheben sich Kugel, Kreuz und Hahn, wie sie auf allen alten Westerwälder Dorfkirchen zu finden ist. Das Obergeschoß wird durch Kaffgesims, Ecklisenen und Rundbogenfries gegliedert und zeigt auf allen Seiten Zwillingsfenster, die von einem Rundbogen überwölbt sind und in der Mitte ein zierliches Säulchen mit mehrteiliger Basis, schmucken Kapitellchen und Kämpfern tragen.
Das Obergeschoß birgt die Glockenstube. Hier hingen stets drei wohlklingende Glocken.

Zwei davon tragen eine Inschrift. Die dritte, große Glocke misst 110 cm im Durchmesser. Sie durfte während der Nazizeit an ihrem Ort bleiben, weil sie mit dem Schlagwerk der Turmuhr verbunden war. Dagegen mussten die Jakobsglocke und die Anna-Selbdritt-Glocke 1942 an den NS-Statt abgegeben werden um zu Kanonen umgegossen zu werden. Die Jakobsglocke ist seitdem verschollen. 1952 wurde für sie eine neue Glocke mit der alten Inschrift gegossen. Die Anna-Selbdritt-Glocke jedoch wurde nach dem Kriege im Glockenlager des Koblenzer Rheinhafens wieder gefunden und in den Birnbacher Kirchturm zurückgeholt.

Die Turmuhr befindet sich auf der Westseite und sitzt ein Geschoß tiefer genau unter dem Zwillingsschallfenster.

Dieses Mittelgeschoß springt gegen das Glockengeschoß ein wenig vor. Nach unten ist es wiederum durch ein Kaffgesims abgesetzt. Das Erdgeschoß wird von einem rundbogigen Westportal geöffnet. An die Südseite des wuchtigen Turms lehnt ein halbrunder Treppenturm, in dessen Innerem eine Treppenschnecke zum Mittelgeschoß hochleitet und damit die Orgelbühne zugänglich macht.

Der Turm ist dem dreischiffigen Langhaus vorgesetzt. Letzteres wirkt als selbständiger Baukörper, da die Seitenschiffe flach schließen und das querrechteckige Chorjoch gegen das Mittelschiff erniedrigt ist. Das geschieferte Satteldach trägt auf jeder Seite drei Dachgauben. Der Obergaden weist fünf rundbögige Fensteröffnungen auf, das Nordschiff ebenso fünf und das Südschiff vier gleich geartete Maueröffnungen. Ihm ist eine kleine Eingangshalle vorgesetzt, ein reizender Fachwerkbau mit Schieferdach. Die Fachwerkwände, die die Halle zu beiden Seiten schließen, stehen auf hohem Steinsockel. Die schwarzgestrichenen Balken sind solide verarbeitet und sorgsam gefügt. Das Giebeldreieck der unten offenen Vorderseite ist besonders ansprechend angelegt. Es wird von einem in Rot abgesetzten Fries unterfangen, auf dem der profilierte Giebelbalken liegt. Auf ihn baut sich ein reich gefiedertes Balkenwerk auf, das sich aus einem Mittelständerbalken, einem profilierten Kehlbalken, einem glatten Spannriegel und vier halbbogenförmigen und vier diagonal verlaufenden eingekerbten Streben zusammensetzt. Dadurch entsteht ein schön gemustertes Giebelfeld, das von einem kunstvoll bearbeiteten Sturzbalken getragen wird. Auf ihm lesen wir die Jahreszahl 1687, die Zeit, in der die Vorhalle errichtet wurde.

Zum Südeingang gehört das „Ehrenmal“. 1923 wurde ein Steinmal als Kriegergedächtnisstätte neben der Vorhalle errichtet. Es trägt die Namen der im ersten Weltkrieg Gefallenen des Kirchspiels. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine weitere Tafel mit den Namen der Kriegsopfer angelegt und in der Vorhalle aufgestellt.
Dem Langhaus folgt nach Osten die Choranlage. Sie besteht aus einem Chorgeviert mit eigenem Satteldach und flacher angehängter Apsis mit einer niedrigeren halbkegelförmigen Bedachung, unter deren Kranzgesims sich ein Rundbogenfries zeigt. Der Chorraum, dessen Außenwände um 1900 neu ummantelt wurden, wird von drei kleinen Rundbogenfenstern belichtet, die in die Seitenwände und den Scheitel der Apsis eingeschnitten sind.

In der Nordostecke, im Winkel zwischen dem flachen Schluss des Seitenschiffes und der Chorwand, findet sich ein kleiner Sakristeianbau, der 1899 in der Art einer Seitenapsis angelegt wurde und durch zwei kleine Rundbogenfenster sein Licht empfängt.

In die Außenmauern der Süd- und Westseite wurden einige vom alten Friedhof stammende, mit Engelköpfen verzierte Grabsteine eingelassen.

Der Innenraum der Kirche wirkt groß und geräumig. Vom Westeingang her schreitet man unter der 1764 erbauten Empore der. Sie trägt seit 1775 die Birnbacher Orgeln. 1985 wurde unter Verwendung des alten Prospektes die letzte große Orgel durch die Firma Rudolf von Beckerath aus Hamburg aufgebaut. Diese neue Orgel in der Birnbacher Kirche folgt in Aufbau, Technik und klanglicher Konzeption den Prinzipien der Orgelbau¬kunst des 17. und 18. Jahrhunderts; doch lässt sich auf ihr auch die Orgelmusik aller Epochen spielen.

Zu beiden Seiten des Mittelschiffes tragen sechs mächtige Pfeiler auf quadratischem Grundriss über den „geschmiegten Kämpfern“ fünf halbrunde Arkadenbögen bzw. die Scheidwand mit den fünf rundbogigen Obergadenfenster. Die gleichgearteten Fenster der Seitenschiffe sitzen genau in den Achsen des Lichtgadens, so dass der Baukörperabgesehen vom Südeingang eine vollendete Symmetrie aufweist. Die Schiffe des Langbauses sind flachgedeckt. Die Flachdecken werden von Querbalken getragen, deren kräftiges Braun sich gegen den hellen Anstrich der Deckenfläche deutlich absetzt. Von der Decke herab hängt ein schöner Metalleuchter mit 12 Lichtern.

In der Nordostecke des Mittelschiffes steht der Predigtstuhl, eine barocke Holzkanzel, die ein heimischer Meister um 1680 geschaffen haben mag. Sie steht auf einem kräftigen polygonalen Schaft. Die einzelnen Felder sind mit Schnitzwerk geziert, das Pflanzenformen darstellt. Dazwischen stehen gedrebte Säulchen mit Basen und Kapitellchen. Die gute handwerkliche Arbeit wurde restauriert und wieder in den Originalfarben gefasst.

Neben der Kanzel findet sich ein schlichter Abendmahlstisch. Er wird stets von einem Antependium geschmückt.

Die Stirnwand des Mittelschiffes öffnet sich zum Chor mit halbrundem Triumphbogen, der auf die Kämpfer der Wandpfeiler aufsetzt. Das Chorgeviert, ein „Fastquadrat“, wird von einem jüngst erneuerten Kreuzrippengewölbe überspannt, an das die Apsiskonche stößt.

In den Jahren 1973 und 2000 ist die Kirche umfänglich renoviert worden. Dabei ist eine gelungene Synthese aus Tradition und Moderne gelungen. So wurde mit der Fugenmalerei und der (Wieder)-Anbringung des Spruches „Jesus Christus gestern heute und derselbe auch in Ewigkeit“ in den Bogen des Chorraumes dem Aussehen der Kirche im 19. und 20.
Jahrhundert Rechnung tragen wollen. Gleichzeitig mit der Farbgebung aber die Moderne des ausgehenden 20. Jahrhunderts aufgegriffen. Ähnliche Überlegungen wurden auch bei der Auswahl des Bodenbelages angestellt. Mit dem Granit Rosso Vanga wurde ein guter Kompromiss gefunden, der sowohl dem Sakralen des Gebäudes als auch dem Wunsch nach „Wärme“ und „Wohlbefinden“ der Gottesdienstbesucher Rechnung trägt.

So knüpfen die „Parkettinseln“ an die traditionellen Holzpodeste an, auf denen früher die Kirchenbänke standen. Diese Kirchenbänke waren herausge-nommen worden und durch bequemere und vielfältiger nutzbare Stühle ersetzt worden. Die „Parkettinseln“ heben zudem in ihrer Gesamtan-ordnung deutlich das Kreuz im Hauptschiff hervor.